Dinacharya: Den Tag meistern

Dinacharya, die Tradition, eine tägliche Routine zu setzen, ist eine der bedeutsamsten ayurvedischen Praktiken, um den Körper und die Psyche vor Krankheit zu schützen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. «Dina» wird mit «Tag» übersetzt und «acharya» bedeutet «Meister» – das Sanskrit Wort Dinacharya lehrt uns, mit einer individuellen Tagesroutine den Alltag stressfrei und achtsam zu meistern und den Zyklus der Doshas optimal für uns zu nutzen. 

Tägliche Rituale sind ein integraler Bestandteil eines ayurvedischen Lebensstils und helfen unserem Körper, sich an den täglichen Rhythmus der Natur anzupassen.

Warum sind Rituale wichtig?

Rituale sind von essentieller Bedeutung, weil sie uns Struktur und Klärung geben. Regelmässige achtsame Abläufe verschaffen unserem Körper die Chance, sich zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen. Sobald sich unser System in Sicherheit, Stabilität und Gewohnheit befindet, kann Stress abgebaut werden. Rituale sind Ressourcen, um neue Energie zu tanken, den Geist zu klären, Ballast zu entladen und Ama (Schlackenstoffe) auszuscheiden. Es sind Momente der Einkehr; durch die bewusste Rückverbindung mit unserem Körper stärken wir unsere Wahrnehmung und kümmern uns um die Selbstfürsorge auf mentaler und körperlicher Ebene.

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Morgenritual: Mit Ayurveda gesund in den Tag starten

Das wohl bekannteste Ritual aus der Schatzkiste des Ayurveda ist die Morgenroutine. Sie verhilft uns zu einem energievollen Start in den Tag, denn während der Nachtstunden durchläuft der Körper im Schlaf eine Vielzahl von Prozessen, bei denen die verschiedenen Organe und Stoffwechselkreisläufe wichtige Funktionen erfüllen, sich reinigen und regenerieren. Frühmorgens werden die angesammelten Toxine und Stoffwechselrückstände (als Ama bezeichnet) über die Schleimhäute im Mund, die Zunge und den Toilettengang ausgeschieden.

Bei eingeschränkter Zeit kann die Morgenroutine auch gekürzt und einzelne Schritte ausgelassen werden.

Ablauf Morgenroutine:

Je nach Qualität der Verdauungskraft und der Ernährungsgewohnheiten bildet sich von keinem bis hin zu einem dicken weisslichen oder gelblichen, manchmal übelriechenden, Belag auf der Zunge. Es ist ausserordentlich wichtig, diesen Zungenbelag sogleich zu entfernen, bevor der Körper die auszuscheidenden Toxine wieder resorbiert. Dies ist die erste morgendliche Massnahme, noch bevor Wasser oder Nahrung aufgenommen wird.

Vorgehen: Halten Sie die Enden des Zungenreinigers mit beiden Händen und setzen ihn so weit hinten wie möglich auf die Zunge und ziehen ihn mit sanftem Druck bis zur Zungenspitze. Mehrmals wiederholen und zwischendurch abspülen. Falls Sie anfänglich einen Würgereflex verspüren, beginnen Sie in den ersten Tagen etwas weiter vorne. Zum Schluss den Mund gründlich mit warmem Wasser ausspülen.

Das Trinken eines Glas Wassers, welches warm oder zimmerwarm sein sollte, füllt den im Schlaf verlorenen Flüssigkeitshaushalt auf. Das hilft auch dabei, den Magen-Darm-Trakt zu reinigen, die Peristaltik anzuregen und den PH-Wert auszugleichen. Fügen Sie Zitronesaft, Ingwer und Gewürze hinzu, die auf Ihr Dosha abgestimmt sind, um die entgiftende Wirkung zu verstärken.

Unsere Zähne putzen wir schon seit deren allseits bejubelten Durchbruchs in frühester Kindheit. Regelmässige Zahnreinigung befreit die Zähne von Plaque, verhindert Karies und schenkt frischen Atem. Der Ayurveda empfiehlt natürliche Zahncremes oder Zahnpulver mit Kräutern, die traditionell für einen gesunden Mundraum, starke Zähne und ein festes Zahnfleisch verwendet werden.

Als drittes Element der täglichen Mundhygiene wird ca. 1 EL gereiftes Sesamöl oder ein spezielles, mit Kräutern und Gewürzen angereichertes Gandusha-Öl in den Mund genommen und während 5-10 Minuten intensiv im Mundraum bewegt und zwischen den Zahnreihen hindurchgepresst. Während dieses Vorgangs vermischt sich das Öl zunehmend mit Speichel und nimmt dadurch Schlackenstoffe und Toxine auf. Dabei wird die Emulsion heller, flüssiger und schaumiger. Nach ein paar Minuten in ein doppeltes Haushaltpapier spucken und im Abfall entsorgen (wegen Verstopfungsgefahr nie ins Lavabo geben!). Achten Sie darauf, das Öl-Speichel-Gemisch nicht zu schlucken! Wer morgens nur wenig Zeit zur Verfügung hat, kann parallel zum Ölziehen eine kurze Dusche geniessen oder stehend ein paar Gleichgewichtsübungen ausführen.

Bewegung frühmorgens ist besonders notwendig, wenn Ihr Tag eher sitzend verläuft. Sanfte Yoga-Asanas sind das perfekte Mittel, um Bewegung in Ihre Morgenroutine einzubauen. Damit sorgen Sie auch für mehr Wachsamkeit, Fokus und Energie während des Tages. Anschliessend empfiehlt es sich zu meditieren. Meditation hilft, ein Gefühl der Ruhe und des inneren Friedens zu schaffen, welches vor den Stressoren des Tages schützt. Ihre Produktivität während des Tages wird maximiert und der Fokus gestärkt.

Wer sich morgens eine besonders wirkungsvolle Wohltat gönnen möchte, verwöhnt den Körper mit einer Selbstmassage mit warmem Öl (Abhyanga). Dafür wird mild wärmendes, gereiftes (thermisch aufbereitetes) Sesamöl oder ein spezifisches Kräuteröl verwendet. Da unterschiedliche Menschen individuelle Bedürfnisse haben, stehen zahlreiche ayurvedische Massageöle zur Verfügung. Eine Besonderheit des Ayurveda ist es, dass das leicht erwärmte Öl vor der Dusche oder dem Bad einmassiert wird. Durch die Massage und die anschliessende Ruhezeit, in der das Öl tief in die Haut einziehen darf, werden Toxine gelöst und gleichzeitig die Haut gepflegt und genährt. Anwendung: Begonnen wird die Massage am Kopf und endet bei den Fusssohlen. Gliedmassen und lange Muskeln werden mit Längsstrichen, Gelenke, Bauch etc. mit kreisenden Bewegungen massiert. Eine warme Dusche beendet diese kurzen Wellnessmomente und hinterlässt ein sanftes, leicht öliges Hautgefühl. Wer während der Arbeitswoche keine Zeit für Abhyanga findet, kann es auch am Wochenende einplanen.

Wer immer wieder mit verstopften Atemwegen und Allergenen zu kämpfen hat, die den Weg über die Nase in den Körper finden, vertraut auf die regelmässige Anwendung des Neti Nasenspülkännchens. Mithilfe der speziellen Form dieses bewährten und hochwertigen Porzellankännchens wird die Nase mit einer milden, lauwarmen Salzlösung gespült und von Fremdkörpern befreit. Eine alte ayurvedische Technik für die Bedürfnisse der heutigen Zeit. Endlich wieder befreit durchatmen!

Um die empfindlichen Nasenöffnungen zu pflegen und zu schützen, sollte die ayurvedische Morgenroutine in jedem Fall mit der Anwendung von 2-3 Tropfen Nasya Öl (z.B. Anu Thailam) abgeschlossen werden. Besonders im kalten Winter, bei windigem Wetter oder bei längeren Aufenthalten in trockener Heizungsluft kann Unerwünschtes durch ausgetrocknete Schleimhäute in unseren Körper eindringen. Pollen, Feinstaub und co. wird durch das Öl jedoch der Zugang erschwert.

Wer das ayurvedische Morgenritual ganz oder teilweise befolgen kann, wird unweigerlich positive Veränderungen bei sich feststellen. Der Tag kann nun kommen!

Mittagsritual: Energie tanken bei Sonnenhöchststand

 Die Stunden der Mittagszeit ist der richtige Zeitpunkt, um nochmals Kraft zu schöpfen und sich so gut auf den restlichen Tag einzustellen. Die Sonne hat ihren Höchststand erreicht und – gekoppelt an den Rhythmus der Natur – feuert das aktuell vorherrschende Pitta Dosha unser Agni (Verdauungsfeuer) zu Höchstleistungen an. Es ist Zeit, sich mit einer energiereichen Mahlzeit zu verpflegen! Beachten Sie dabei folgendes:

 

  • Kauen und geniessen Sie bewusst mit jedem Bissen
  • Essen Sie in entspannter und positiver Atmosphäre
  • Die Portion soll ihr Agni nicht überfordern, achten Sie auf Ihren Sättigungspunkt
  • Viele Vitamine, Ballaststoffe und qualitative Hochwertigkeit (biologisch, saisonal, regional) schenken Ihnen besonders viel Prana (Lebenskraft)

 

Neue Energie tanken Sie auch mit moderater Bewegung. Ein leichter Spaziergang in der Mittagspause stimuliert den Kreislauf und hilft durchzulüften. Dieser kann beispielsweise mit einer beruhigender Gehmeditation oder einem Podcast aufgepeppt werden. Das bewusste Ein- und Ausatmen oder eine geleitete Pranayama-Session klärt den Kopf und macht Platz für neue Eindrücke für den Rest des Tages.

Rituale für Zwischendurch

Gerade am Nachmittag, wenn das luftige Bewegungsprinzip Vata aktiv ist, sind Pausen besonders wichtig, damit unser Energieniveau nicht schlagartig einbricht. Der Alltag kann oft ganz schön anspruchsvoll sein, daher ist es wichtig, immer mal wieder kurz innezuhalten. Eine Auszeit von 30-60 Minuten wird am Nachmittag empfohlen, um vom «Aussen» wieder in die eigene Körperwahrnehmung zu kommen, die Gedanken zu verlangsamen und das Nervensystem zu entspannen.

Empfehlungen:

  • Sport, Bewegung (nicht zu später Zeit)
  • Kreativpausen (basteln, zeichnen, malen)
  • Musizieren, singen
  • Meditieren

Abendritual: Entspannt zur Ruhe kommen

Zwischen 18:00 Uhr und 22:00 Uhr befindet sich der Körper in der Regenerationsphase. Aus diesem Grund sind ayurvedische Rituale abends vor allem darauf bedacht, Körper und Geist zu entspannen.

Nährende und erdende Rituale helfen beim Abschalten vom Alltagstrott und beim Zurückkehren zur eigenen Mitte.

Empfehlungen:

Auf einen Blick

  • Tägliche Rituale sind essentiell für die Regeneration von Körper, Geist und Seele
  • Routinen schaffen Stabilität, Sicherheit und Resilienz
  • Mit Ritualen gelangt man zurück zur eigenen Mitte – vom Aussen nach Innen
  • Routinen helfen uns, den Alltag gelassen und in voller Vitalität zu meistern