Auch wenn Sie sich bisher noch nie mit ayurvedischer Ernährung beschäftigt haben, finden sich in Ihrem persönlichen Essverhalten bestimmt verschiedene Elemente, die auch der Ayurveda so empfehlen würde.

Die ayurvedische Lehre basiert auf universellen Gesetzmässigkeiten und ist keineswegs «indisch». Somit lassen sich die Grundlagen der ayurvedischen Kochkunst überall und in allen Kulturkreisen anwenden.

Wer die vielseitige ayurvedische Ernährung einmal kennengelernt hat, ist meistens begeistert; kulinarisch und auch, was die gute Verträglichkeit betrifft.

Eine Ernährungsumstellung im persönlichen Alltag erscheint dennoch vielen oft zu aufwändig und gerade in einem Mehrpersonenhaushalt kaum umsetzbar.

Doch Ayurveda ist einfacher als Sie denken!

 

«Man ist nicht, was man isst, sondern was man verdaut» (Caraka Samhita).

In dieser Aussage aus dem Jahrtausende alten Ayurveda Kompendium liegt der grösste Unterschied zwischen der ayurvedischen Ernährungslehre und der westlichen. Diese orientiert sich an den messbaren Inhaltsstoffen und Nährwerten der Nahrungsmittel; der Ayurveda hingegen betont den Menschen und seine individuelle Verdauungskraft unter Einbezug der Tages- und Jahreszeit.

 

Aus Sicht des Ayurveda gibt es keine Nahrungsmittel, die generell gesund oder ungesund sind. Hingegen verfügen Nahrungsmittel über unterschiedliche Eigenschaften, welche Eigenschaften im Menschen entweder verstärken oder verringern. Dies nutzt der Ayurveda, um Ungleichgewichte zu harmonisieren und vorzubeugen.

 

Die ayurvedische Küche orientiert sich an den Bedürfnissen der einzelnen Dosha Typen Vata, Pitta und Kapha und ihren Mischformen. So mag ein spezifisches Nahrungsmittel für den Vata Typen vorteilhaft sein; für den Kapha Typen hingegen nicht. Und was dem Kapha Typen gut bekommt, kann bei Pitta Typen zu einem Ungleichgewicht führen.

 

Was nun sehr kompliziert erscheint, wird im Alltag jedoch oft ganz natürlich und intuitiv umgesetzt. So spürt der hitzige Pitta Typ, dass ihm sehr scharfes und saures Essen im Sommer nicht bekommt, dass der behäbige Kapha Typ nach Pommes frites und Eiscrème unter einem Völlegefühl leidet und dass das Verdauungssystem des zierlichen Vata Typs Kohlgemüse oder Rohkost im Winter nicht verträgt.

 

Neben Agni, den spezifischen Eigenschaften der Nahrungsmittel und der Natur des Essenden betont der Ayurveda auch die Zeitqualität und die Jahreszeit. So ist Agni am stärksten, wenn die Sonne am höchsten steht. Daher sollte die Hauptmahlzeit idealerweise am Mittag eingenommen werden. Ein spätes, reichhaltiges Abendessen überfordert das Verdauungssystem und kann den Schlaf stören.

Im Jahreslauf ändern sich die Bedürfnisse: Im Frühling sehnen wir uns nach frischen, grünen Gemüsen und Kräutern mit bitterem Geschmack, im Sommer mögen wir reife Früchte und kühlende Salate, und im Herbst und Winter geniessen wir warme, reichhaltige Suppen und Eintöpfe. Ganz natürlich, entsprechend der Grundsätze der ayurvedischen Küche.

 

Generell wichtig ist es, erst dann zu essen, wenn man wirklich hungrig ist und die letzte Mahlzeit verdaut hat. Dies kann 3 - 5 Stunden dauern und ist je nach Dosha Typ unterschiedlich. Pitta hat einen starken Appetit, Kapha kann leicht Mahlzeiten auslassen und der Hunger von Vata ist unregelmässig.

Trotzdem empfiehlt der Ayurveda regelmässige Essenszeiten. Zwischenmahlzeiten und Snacks sollten, neben den drei Hauptmahlzeiten, möglichst vermieden werden. Sollte der Hunger einmal besonders gross sein und der Körper nach Energie verlangen, so eignen sich frische Fruchtsäfte, Dörrobst oder Nüsse.

 

In früheren Zeiten, in denen sich die meisten Menschen mehr bewegten und körperlich streng arbeiten mussten, konnten sie konzentrierte und schwere Nahrung problemlos verdauen.

Heute gehen die meisten Menschen sitzenden Tätigkeiten in klimatisierten Räumen nach, lassen sich mit Autos und Zügen transportieren und überwinden Stockwerke mit dem Lift. Daher haben sich Belastungen von der körperlichen auf die mentale Ebene verschoben, der Stress ist grösser geworden und der Stoffwechsel schwächer.

Daher ist es für die Gesundheit wichtig, auch die Ernährung entsprechend anzupassen. Leicht verdauliche, hochwertige Nahrungsmittel mit mehr Vitalstoffen und einem hohen Anteil an Prana (Lebensenergie) bieten sich hier an.

 

Ayurvedische Ernährung

  • ist immer frisch gekocht, möglichst biologisch und regional
  • beinhaltet täglich alle sechs Geschmacksrichtungen (süss, salzig, sauer, scharf, bitter, herb)
  • ist abwechslungsreich bezüglich Konsistenz (feucht, suppig, cremig, weich, knusprig, knackig, ölig)
  • kombiniert Gemüse (gekocht, wenig roh), Stärkeprodukte (Getreide, Kartoffeln) und Proteine (Hülsenfrüchte, Milchprodukte, evtl. wenig tierische Produkte)
  • verwendet hochwertige Pflanzenöle (nicht erhitzen) und besonders Ghee (geklärte Butter)
  • beinhaltet süsse Früchte roh (morgens, als Zwischenmahlzeit) und gedünstet (Kompott, Chutney)
  • empfiehlt Nüsse und Samen (besonders im Winter)
  • stärkt die Verdauung mit Gewürzen und Kräutern
  • verwendet Steinsalz, besonders Himalayasalz
  • süsst Gerichte mit Sharkara Zucker, Birnendicksaft und anderen natürlichen Zucker-Quellen
  • vertritt die Auffassung, dass zu einer Mahlzeit nur wenig warmes Wasser oder Tee getrunken werden sollte (letzte richtige Flüssigkeitszufuhr eine halbe Stunde vor und nach der Nahrungsaufnahme, keine kalten Getränke)

 

Die ayurvedische Küche kennt Empfehlungen, aber kaum Verbote. Es gibt jedoch Kombinationen, die schlecht verträglich sind und daher nicht empfohlen werden:

  • Milch (auch als Joghurt, Quark, Kefir etc.) nie mit Früchten mischen (Rahm mit Früchten ist möglich)
  • Milch nie kalt und nicht als Bestandteil einer (salzigen) Mahlzeit trinken. Ausnahme: Milch warm, mit Gewürzen als Bestandteil eines Getreidebreis oder vor dem Schlafengehen trinken
  • Honig nie auf mehr als 40 °C erwärmen (nicht kochen und backen)
  • Heisse Gerichte nicht zusammen mit sehr kalten zu sich nehmen
  • Übrig gebliebenes Essen (besonders Gemüse) nicht aufbewahren und aufgewärmt zu sich nehmen (Stärkeprodukte und Dal dürfen am nächsten Tag noch verwendet werden)
  • Idealerweise keine Tiefkühl- und industriell verarbeitete Produkte verwenden (haben wenig Lebensenergie)
  • Brot mit Hefe und Hartkäse gelten als schwerverdaulich

 

Praktische Tipps für den Alltag

  • Finden Sie heraus, was Sie wirklich gern essen und was Ihnen guttut (dies mag sich im Lauf des Jahres ändern).
  • Orientieren Sie sich an den ayurvedischen Empfehlungen, stellen Sie Ihre Ernährung, wenn nötig, langsam und schrittweise um.
  • Verwenden Sie Gewürze (und Kräuter) und praktische Gewürzmischungen, beginnen Sie damit langsam und entdecken Sie die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen.
  • Wenn Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen am Tisch sitzen, lassen sich Gewürze wie Vata-, Pitta- und Kapha-Churnas auch erst über die fertigen Gerichte streuen.
  • Wenn Sie Ihre Mittags-Hauptmahlzeit am Arbeitsplatz zu sich nehmen, bewähren sich Isoliergefässe für Eintopf- und Suppengerichte.
  • Mit etwas Voraussicht lassen sich Mahlzeiten abends vorbereiten: Gemüse rüsten, Hülsenfrüchte einweichen, Getreide abwägen und erst morgens kurz kochen.
  • Je kleiner das Gemüse geschnitten wird, desto kürzer ist die Garzeit.
  • Ebenso lässt sich ein Kompott aus Früchten (roh oder mit eingeweichtem Dörrobst ) abends vorbereiten und morgens kochen.
  • Getreideflocken für Porridge abends mit Wasser und Gewürzen in kleinen Topf geben und morgens zum Frühstück kurz aufkochen.

 

 

Begeben Sie sich auf eine kulinarisch-ayurvedische Reise. Es gibt vieles zu entdecken! Genauso wie ein indisches Curry kann auch ein italienisches Pastagericht oder eine Schweizer Spezialität ayurvedisch zubereitet werden. Vertrauen Sie Ihrem Geruchs- und Geschmackssinn und versuchen Sie herauszufinden, wie ein Lebensmittel schmeckt (süss, bitter, salzig, zusammenziehend, scharf, sauer?) und welche Eigenschaften es hat (trocken, weich, wärmend, schwer, kalt, feucht, leicht?). Verspüren Sie auch deren subtileren Qualitäten und welche Wirkung sie in Ihnen entfalten (Leichtigkeit, Trägheit, Vitalität, Beruhigung, Erdung, Anregung?).

Erfreuen Sie sich an der kreativen und gesunden ayurvedischen Küche!