Lebensenergien, Gewebe, Ausscheidungsprodukte und Agni

Der Begriff «Gesundheit» umfasst im Ayurveda verschiedene Kriterien und ist eine erfahrbare, dynamische Ganzheit, die weit über fehlende Krankheitssymptome hinausgeht. Demnach wird «Gesundheit» im Ayurveda als ausgewogener Zustand beschrieben, in dem die drei Lebensenergien (Doshas) Vata, Pitta und Kapha, die sieben Gewebe (Dhatus), die drei Ausscheidungsprodukte (Mala) und das Verdauungsfeuer (Agni) harmonisch aufeinander abgestimmt funktionieren. 

Ernährung – von «in bis out»

Während Ernährungsthemen unzählige Bücher und Blogbeiträge füllen, finden Themen zu körperlichen Ausscheidungen nur wenig Beachtung. In unserer Kultur wird kaum über Stuhl, Urin und Schweiss gesprochen, zu schambehaftet und Ekel erregend erscheinen uns derartige Themen.

Schade eigentlich, gehören Aussehen, Geruch und Intensität unserer Ausscheidungsprodukte doch oft zu den ersten Anzeichen einer gesundheitlichen Dysbalance oder aber zur Bestätigung einer guten Gesundheit.

Nach westlich-analytischen Kriterien definiert sich «gesunde Ernährung» hauptsächlich über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Gesundheitsbewusste Konsument*innen stellen ihren Menüplan anhand von Vitaminen, Mineralien, Nahrungsfasern etc. zusammen. Je unverarbeiteter Lebensmittel sind, desto mehr Vitalstoffe enthalten sie und desto gesünder sollen sie für den Menschen sein. Doch auch hier geht der Ayurveda differenzierter vor: Sein Fokus liegt auf der individuellen Verdauungskraft jedes einzelnen Menschen.

 

Die Verdauungskraft beruht laut ayurvedischem Wissen auf drei Phasen:

  • Input: Die Nahrung wird vom Körper aufgenommen und weitertransportiert.
  • Aufspaltung: Die Nahrung wird aufgespalten, deren Bestandteile werden verteilt und von den Zellen aufgenommen.
  • Output: Die nicht verdaulichen Bestandteile werden über Urin und Stuhl ausgeschieden.

Mala, die ayurvedischen Ausscheidungen

Für die Gesamtheit der menschlichen Ausscheidungsprodukte verwendet der Ayurveda den Begriff Mala. Mala bedeutet «klären, reinigen» und bezeichnet alle Abfallprodukte, die der Körper produziert.

Dazu gehören neben den wichtigsten drei (Urin, Stuhl und Schweiss) auch Gase, Ohrenwachs, Exkrement der Nase oder Ausscheidungen der Geschlechtsorgane und einige mehr.

Wie eine Wohnung, die regelmässig von Abwasser, Staub und Müll befreit werden muss, erfordert auch die menschliche Gesundheit tägliche Ausscheidungen. Mala (Stoffwechselprodukte) dürfen sich im Körper nicht akkumulieren, sondern müssen regelmässig ausgeschieden werden.

So wird in den ayurvedischen Schriften ausschliesslich eine ein- bis dreimalige Darmentleerung pro Tag als «normal und gesund» beschrieben. Bei geringerer Häufigkeit sollte nach Ursachen und Lösungsansätzen gesucht werden.

Eine gesunde Entleerung von Urin und Stuhl steht jedoch auch in Zusammenhang mit der individuellen Grundkonstitution (Prakriti) und der vorherrschenden Befindlichkeit (Vikriti). So hat der Vata Typ natürlicherweise eher geringe, wechselhafte Ausscheidungen, der Pitta Typ eine vermehrte Ausscheidung und der Kapha Typ eine eher träge Ausscheidung.

Ayurvedische Diagnoseverfahren und Beobachtung

Wer eine Ayurvedaärztin oder einen Ayurveda Naturheilpraktiker aufsucht, mag über deren differenzierte Diagnosemethoden staunen. So unterscheidet der traditionelle Ayurveda acht verschiedene Untersuchungsverfahren, die Aufschluss über den gesundheitlichen Zustand eines Menschen geben. Dazu gehören die Puls- und die Zungendiagnose und auch der Einbezug von Urin und Stuhl.

Auch zuhause lohnt sich die tägliche Beobachtung der eigenen Ausscheidungen, deren Frequenz, Konsistenz, Geruch, Farbe etc. Oftmals zeigen sich allgemeine Gesundheitsstörungen schon an kleinen Veränderungen der Ausscheidungsprodukte.

So können z.B. Stoffwechselschlacken (Ama = unverdaut) in Form unverdauter Rückstände oder als klebrige, schleimige Konsistenz im Stuhl erkennbar sein. Ayurveda Experten vermögen in den Ausscheidungsprodukten wertvolle Hinweise auf den Zustand der verschiedenen biologischen Agnis (Verdauungsfeuer) und den Zustand der Körpergewebe (Dhatus) erkennen.

«Gesund ist nicht in erster Linie das, was man isst, sondern das, was man verdaut.»

Ausscheidungsmerkmale von Vata, Pitta und Kapha

Konstitutionelle Eigenheiten:

Vata

Vata wird mit den Eigenschaften «kalt, leicht, trocken, beweglich, rau, subtil» charakterisiert.

Demnach haben Menschen mit einem dominanten Vata Dosha tendentiell:

  • trockenen, harten, geruchsarmen Stuhl
  • Neigung zu Verstopfung
  • geringe Stuhlmengen, oft mit Blähungen verbunden
  • wenig, eher dunklen Urin
  • kaum Schweissabsonderung

Pitta

Pitta wird mit den Eigenschaften «leicht ölig, heiss, warm, scharf, flüssig, sauer, bewegend und ätzend» charakterisiert. Menschen mit einem dominanten Pitta Dosha haben tendentiell:

  • dünnen, lockeren, oft ungeformten Stuhl
  • eine Tendenz zu Durchfall und brennenden Empfindungen
  • grosse Ausscheidungsmengen entsprechend ihrer grossen Essmengen
  • gelben, warmen Urin, sauren Geruch
  • starke Schweissabsonderung, intensiven Geruch

Kapha

Kapha wird mit den Eigenschaften «schwer, kalt, kühl, weich, ölig, feucht, süss, stabil, klebrig, schleimig» charakterisiert. Menschen mit einem dominanten Kapha Dosha haben tendentiell:

  • weiche, geformte Stuhlkonsistenz
  • selteneren Stuhlgang, jedoch grössere Mengen
  • fettigen, schweren Stuhl
  • hellen, weisslichen oder farblosen Urin
  • tendenziell feucht-kühle Haut ohne starkes Schwitzen

Ursachen für die Qualität der Ausscheidungsprodukte, deren Häufigkeit, Konsistenz, Geruch, Farbe und für allfällige Begleitempfindungen sind zahlreich. Neben bekömmlichen und individuell verträglichen Nahrungsmitteln betont der Ayurveda eine starke Verdauungskraft und zahlreiche weitere Kriterien. Dazu gehört ein ausgeglichener Tagesrhythmus mit ausreichend Ruhepausen, genügend Schlaf und ein Stressmanagement, das in der Gesundheitsfürsorge von essentieller Bedeutung ist.

Nicht nur Krankheit beginnt im Darm – umfassende Gesundheit ebenso!

Auf einen Blick

  • Gesundheit beinhaltet neben bekömmlicher Ernährung auch regelmässige Ausscheidungen.
  • Zu den wichtigsten Mala gehören Urin, Stuhl und Schweiss.
  • Die ayurvedische Diagnose bezieht auch Ausscheidungsprodukte mit ein.
  • Die Ausscheidungen der drei Dosha Typen können von Natur aus unterschiedlich sein.